Die 77. Emmy-Awards, die in der Nacht zum Montag vergeben wurden, waren dieses Jahr an Harmlosigkeit nicht zu überbieten. Gesellschaftskritische Nominierungen wurden links liegen gelassen, den Rest besorgte die inhaltsleere Moderation von Nate Bargatze, dem offenbar unpolitischsten Stand-up-Comedian, den das Land zur Zeit zu bieten hat. Dazu gab es viel Country Music. Auf dem Programm stand nicht der fortgesetzte Ausnahmezustand in der internationalen Politik oder die öffentlich zu besichtigende allmähliche Erosion der Demokratie in den USA, sondern die Selbstbespiegelung der TV-Branche.
So räumte die Hollywood-Satire „The Studio“ (AppleTV+) insgesamt 13 Preise ab. Ganz sicher ist „The Studio“ eine hinreissend gut gemachte Serie des genialen Seth Rogen, der alle wichtigen Awards in der Kategorie Comedy entgegennahm. Er spielt in seiner Serie einen TV-Produzenten, der unverhofft in die Position eines Studio-Bosses hineinstolpert und sich selbst von Folge zu Folge in immer schrillere Peinlichkeiten verwickelt. Er kämpft um die Zuneigung der Kreativen und der großen Hollywoodstars, die sich in der Serie reihenweise selbst als köstlich schräge Karikaturen spielen (herrlich: Martin Scorsese), und will im zynischen Blockbuster-Geschäft am liebsten nur Arthouse-Kunst produzieren. Natürlich entlarvt der scharfsinnige Blick hinter die Kulissen die Verkommenheit des TV-Geschäfts. Aber diese herrliche Komödie ist trotzdem nur Eskapismus für Insider – für Feinschmecker des Fernsehgeschäfts, die in ihrem wirklichen Leben ihr Geld sonst an der TV-Wursttheke verdienen müssen.
Ein Lichtblick war für mich die Auszeichnung von „Adolescence“ als beste Miniserie über den Mord eines 13-jährigen Jungen an einer Mitschülerin. Das Projekt von Jack Thorne und Stephen Graham, der auch als bester Hauptdarsteller einer Miniserie ausgezeichnet wurde, hatte nach seiner Premiere im Frühjahr intensive Diskussionen in Großbritannien und auch bei uns in Deutschland ausgelöst, wie man den verstörenden antifeministischen Gewaltfantasien aus der virtuellen „Manosphere“ begegnen soll.
Die Chance, auch politisch relevanten Produktionen die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen, verpasste die Academy leider. Für den Star-Wars-Spin-off „Andor“, der sehr intensiv den Kampf gegen ein unheimlich aktuell anmutendes faschistisches Regime erzählt, gab es nur einen Emmy für Drehbuchautor Tony Gilroy. Der einzige politische Moment des Abends war die melancholische Abschiedsrede von Stephen Colbert, dessen Show vom Fernsehsender CBS rüde abgesetzt wurde, um dem US-Präsidenten einen Liebesdienst zu erweisen. CBS strahlt übrigens auch die Emmy Awards aus, was vielleicht diesen weichgespülten, aseptischen und unpolitischen Abend am einfachsten erklärt.
Das passt aber für mich in unsere Zeit: Aus Angst vor Konfrontation und vor ehrlichem, provokantem Erzählen verfängt die Harmlosigkeit. Für den deutschen Programmmarkt ist das jedoch keine Perspektive, sondern eine Warnung.










