Foto: © David Baltzer
Gestern Abend feierten 1.400 Premierengäste vor der dramatischen Kulisse des Wormser Doms die Uraufführung von „See aus Asche“ mit Standing Ovations. Das Stück von Roland Schimmelpfennig bringt erstmals in Worms das ganze Nibelungenlied auf die Bühne – mit vielen aktuellen Bezügen mit großer Relevanz für die Gegenwart. Was für ein großartiger Abend! Sogar das Wetter spielte mit. Der enorme Zuspruch der Zuschauer zeigt, dass die Nibelungen-Festspiele sich als kulturelles Ereignis in Worms und weit darüber hinaus fest etabliert haben. Sämtliche Vorstellungen sind bereits ausverkauft.
Zugleich zeigt sich darin auch, wie groß derzeit das Bedürfnis ist, sich in größerer Gemeinschaft zu versammeln und sich über das auszutauschen, was uns alle umtreibt: Die Welt um uns herum ist nicht nur unübersichtlicher geworden, sie fühlt sich auch bedrohlich an, wie lange nicht. Roland Schimmelpfennig beschreibt das Theater als „kraftvollen utopischen und humanistischen Akt“, den wir dieser Verunsicherung entgegenstellen.
Auch die ersten Kritiken sind positiv. Steffen Becker auf nachtkritik.de: „Das Stück interpretiert das Drachentöten als die eigentliche Ursünde – als Gewaltakt an der Natur, die sich der Mensch aus Angst und Gier untertan machen will und seziert den Dauerloop menschlicher Machtkämpfe. Männer, die die Welt verbrennen, treiben die Menschheit ins Hamsterrad der Selbstzerstörung. Unschwer zu erkennen, dass die Nibelungen hier Pate stehen für heutige Verhältnisse. Der von Regisseurin Mina Salehpour gestaltete Abend ist ein Wagnis, indem er den anti-illusorischen Sound von Schimmelpfennig in entsprechende Bilder übersetzt.“ Eine weitere positive Kritik kommt von Detlev Baur: https://www.die-deutsche-buehne.de/kritiken/neu-gelungen-lied/
Bühnenbildnerin Andrea Wagner hat dafür eine originelle Bühnenlandschaft geschaffen (Foto: David Baltzer): Vor dem Dom sind 600 Tonnen Kies aufgeschüttet. Zu sehen sind nur Kies, viele Plastikstühle und ein kleiner See. Es ist also kein Spektakel, sondern ein intensives Kammerspiel, in dem die Magie der Sprache von Roland Schimmelpfennig im Mittelpunkt steht. Das großartige Schauspielensemble um Wolfram Koch und Jasmin Tabatabai hat diese Magie mit hoher Intensität zum Ausdruck gebracht.
„See aus Asche“ entspricht damit ganz besonders dem programmatischen Ansatz der Intendanz und der künstlerischen Leitung: Die Nibelungensage ist ein Mythos mit großer Tradition, den wir zeitgemäß mit relevanten Interpretationen immer wieder neu erfinden und mit heutigen universellen Fragestellungen konfrontieren wollen. Allein das Entstehen des Theaters vor dem Dom ist ein kleines, jährlich wiederkehrendes Wunder. Dafür, dass all dies auch in diesem Jahr wieder auf so hohem Niveau möglich ist, möchte ich mich bedanken: bei Roland Schimmelpfennig und der Regisseurin Mina Salehpour, bei der Geschäftsführerin Petra Simon und dem künstlerischen Leiter Thomas Laue, aber vor allem bei den vielen großartigen Menschen auf und hinter der Bühne. Ein besonderer Dank gilt den Förderern und Unterstützern, ohne die diese Festspiele nicht denkbar wären.










