Mehr Schiller, weniger schillernd

Als Bundeskanzler Friedrich Merz den Medienunternehmer Wolfram Weimer zum Staatsminister und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien berief, war die Überraschung perfekt. Dass der erfolgreiche Journalist etwas von Medien versteht, leuchtete sofort ein, hat er doch schließlich als Redakteur und Chefredakteur in wichtigen Medienhäusern gearbeitet. Aber versteht er auch etwas von Kulturpolitik? Als intellektueller Publizist hat sich Weimer immer wieder mit spitzer Feder an die Ränder des Sagbaren geschrieben. Wie vielen schillernden Vollblut-Journalisten war ihm skrupellos eine gelungene Pointe immer wichtiger als das Millimetermaß der politischen Korrektheit. So ein meinungsstarker Alphajournalist stand natürlich auf den Gästelisten aller Talkshows, denn er sorgte immer pflichtbewusst für die bestellte Polarisierung.

Jürgen Kaube, Herausgeber der F.A.Z. und selbst ein deutlich größerer und vor allem souveräner Meister des sprachlichen Floretts, sezierte Weimers Buch „Das konservative Manifest“ von 2018 und fand zu Recht die Indizien für seine Anklage: Weimer mache sich demographische Sorgen um die „Fortdauer des eigenen Bluts“ und die „biologische Selbstaufgabe“ Europas. Kaube wechselt dann flugs vom Florett zum Schwert und urteilt, Weimer sei „der falsche Mann am falschen Platz“. Damit war der Ton gesetzt und die ganze Kulturszene in heller Aufregung. Sogar eine Petition mit Zehntausenden Unterzeichnern wurde gegen seine Berufung gestartet.

Jetzt, nachdem man Weimer in den letzten beiden Wochen dabei zusehen konnte, wie er sich in vielen Interviews sorgfältig als liberaler und bürgerlicher Citoyen positionierte, sieht die ganze Sache weniger schillernd und mehr nach Schiller aus. Die Kunst sei die Tochter der Freiheit, zitiert er. Es ist dem reflektierten Journalisten klar, dass die Rollenerwartungen an einen Politiker andere sind. Und als Intellektueller ist ihm auch klar, dass er seine abfälligen Ansichten über die „Gender-Ideologien“ und Coming-Outs prominenter Personen wohl kaum dem aufgeklärten Kulturpublikum zumuten kann. Toleranz und Vielfalt sind längst tief in der Mitte der Gesellschaft verankert. Das weiß auch die CDU sehr genau, die ihre eigenen weltoffenen Wählermilieus in den Großstädten nicht vergraulen darf. Ein Zurück in den Mief der 50er Jahre werden er und Friedrich Merz allein deshalb gar nicht erst versuchen. Weimer setzte zu Beginn seiner Amtszeit Signale gegen den Antisemitismus, der in Deutschland leider auch in Teilen der Kulturszene extrem wuchert und blieb im Kulturkampf, der um seine Person entflammte, gelassen und rüstete geschickt ab. Er sieht die Kultur auch nicht als Kampfesstätte, sondern als autonomen Freiheitsraum für die Diskursfähigkeit der Gesellschaft. Deshalb halte ich es mit Iris Berben, die beim Filmpreis gesagt hat, man könne ihm doch jetzt erst mal eine Chance geben. Die Lage bleibt ernst.