Nach drei Ku’damm-Staffeln, die in den Jahren 1956, 1959 und 1963 spielten, sind vor Kurzem in Berlin die Dreharbeiten für Ku’damm 77 abgeschlossen worden. Damit wird die erfolgreiche ZDF-Serie fortgesetzt – mit einem Zeitsprung mitten in die 70er Jahre. Hier entsteht ein zeitpolitisches Panorama des Jahres 1977: Das war die „Bleierne Zeit“ im Deutschen Herbst des gescheiterten RAF-Terrors, der Durchbruch von Disco als massenhaftes popkulturelles Phänomen und zugleich auch die düstere Seite der Jugendkultur mit „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, der gleich um die Ecke der Tanzschule „Galant“ liegt. Anette Hess, Co-Regisseurin, Showrunnerin und Autorin der Serie, erzählt in diesem Dreiteiler mit einer herausragenden Besetzung und einem fabelhaften kreativen Team mit Maurice Hübner-Gaida (Co-Regie), Michael Schreitel (Bildgestaltung) und der ZDF-Redaktion (Heike Hempel, Beate Bramstedt und Bastian Wagner) ein neues, aufregendes Kapitel aus dem Leben der Schöllack-Frauen. Anette Hess ist die Urmutter des Ku’damm-Kosmos, den sie auch kongenial mit dem Dreamteam um Peter Plate und Ulf Leo Sommer um die sehr erfolgreichen Musicals Ku’damm 56 und Ku’damm 59 erweitert hat.

Für uns alle – auch gemeinsam mit Markus Brunnemann und Marc Lepetit in der Produktion – ist von Anfang an vor allem die gesellschaftliche Relevanz des Ku’damm-Kosmos wichtig. Alle Teile beschäftigen sich intensiv mit Fragen der sexuellen Identität im jeweiligen Kontext der Zeit. Es geht darum, diesen Lebensentwürfen eine Sichtbarkeit zu verschaffen und damit vielleicht mehr Akzeptanz und Vielfalt in der Gesellschaft zu erreichen. Die Ku’damm-Serie handelt auch in dieser Staffel von der Kraft der Frauen, die sich immer wieder aus neuen Zwängen befreien müssen. Es ist die Geschichte über Emanzipation und Gestaltungswillen – das ist gerade heute in unserer aggressiven, von männlichen Autokraten beherrschten Welt aktueller denn je.

Und wieder erzählt Ku’damm eine relevante Episode der Zeitgeschichte radikal als Familiengeschichte. Und Familiengeschichte ist immer auch Frauengeschichte. Der Kampf um Emanzipation wurde in den letzten Jahrzehnten auf der Straße und in den Parlamenten, aber vor allem in den Familien und am Arbeitsplatz ausgetragen. Meine 94jährige Mutter Ulla Hofmann hat das am eigenen Leib erlebt. Als erfolgreiche Wirtschaftsjournalistin hat sie sich jahrzehntelang immer wieder in einer männerdominierten Welt durchgesetzt. Von ihrer Charakterstärke und Willenskraft habe ich gelernt, dass die Unterdrückung der Frauen zwar früher offensichtlicher war und im Laufe der Jahrzehnte auch vieles erkämpft wurde, aber heute immer noch ganz subtil und wirkungsvoll in unseren gesellschaftlichen Strukturen verankert ist. Deshalb muss der Kampf um Selbstbehauptung von jeder neuen Frauengeneration aufs Neue geführt werden. Ku’damm 77 erzählt davon mit radikaler Wucht.