Linker Antisemitismus und progressive Identitätspolitik gehen eine unheilvolle Allianz ein. Ein Aufschrei gegen die Irrungen des Kulturbetriebs.
Letzte Woche hat die große Schauspielerin Iris Berben ein sehr differenziertes Interview in der ZEIT gegeben. Die Frage, die im Mittelpunkt der Artikelserie steht, lautet: Ist die politische Linke mitverantwortlich für den Zuwachs der Rechten? Antwort von Iris Berben: „Leider ja. Die politische Linke hat wichtige ureigene Themen vernachlässigt und sich stattdessen in Feldern verkämpft, wo ihr die meisten Leute nicht mehr folgen wollten. Viele Menschen sind wütend auf diese Linke.“ Damit benennt sie sehr klar, was in der politischen Linken in den letzten Jahren falsch gelaufen ist. Das will natürlich gerade in der linken Kulturszene keiner hören. In das dröhnende Schweigen möchte ich deshalb hineinrufen: „Iris hat recht!“
Sie sagt: „Kultur und Kunst sollten ein Schutzraum sein fürs Experimente wagen, auch für Ungehorsam. Jetzt diskutieren wir ständig andere Sachen, zum Beispiel kulturelle Aneignung, also Schwule sollen nur noch von Schwulen gespielt werden. Das empfinde ich als völlig kontraproduktiv für meinen Beruf. Schauspieler sollen sich doch in andere Figuren hineinversetzen.“ Ich habe mich als Produzent schon sehr früh für mehr Diversität vor und hinter der Kamera eingesetzt. Und es macht oft Sinn, queere Rollen mit queeren Schauspielern zu besetzen, weil sie ihre persönlichen Diskriminierungserfahrungen einbringen können. Aber daraus im Umkehrschluss ein Dogma zu zementieren, dass nur noch schwule Schauspieler schwule Rollen spielen dürfen, ist eine sehr deutsche Pointe und der Tod jeder Kreativität.
Iris Berben kritisiert zu Recht die Irrwege der linken Identitätspolitik. Dies führt sie direkt zum wuchernden Antisemitismus in der linken Kulturszene: „Die Haltung der linken Szene gegenüber Israel und den Juden war schon immer ein böser Stachel in meinem linksliberalen Herzen. Schon früher tummelten sich in dieser Szene eine Menge Antisemiten.“ Das macht Iris Berben ratlos, und viele Leser stellen sich die Frage, was denn ausgerechnet Diversity mit Antisemitismus zu tun hat. Warum nennt Iris Berben beides im gleichen Atemzug? Doch der Zusammenhang zwischen linker Identitätspolitik und Antisemitismus liegt auf der Hand. Das erklärt zum Beispiel auch die völlig absurde Parole „Queers for Palestine“: Als ob eine Transperson auch nur ein paar Minuten im Gazastreifen überleben würde, wo die islamistische Hamas gnadenlos Homosexuelle mit dem Tod bedroht und tatsächlich auch bestialisch foltert und umbringt. Diese verrückte Solidarität entspringt der progressiven Ideologie, die immer als Paket daherkommt. Darin werden verschiedene Ideologien zu einem Cluster gebündelt, von der Identitätspolitik bis hin zum Antisemitismus, der in der politischen Linken schon seit Ende der 60er Jahre ein gefährliches Amalgam mit dem Antikolonialismus eingegangen ist. Schon Bernd Eichinger hat 2008 den „Baader-Meinhof-Komplex“ von Stefan Aust verfilmt und dabei den eliminatorischen Antisemitismus des mörderischen Linksterrorismus herausgearbeitet, der auch 1972 bei dem Attentat auf die Olympischen Spiele das Hauptmotiv war – Wir haben das 2012 im Fernsehfilm „München 72 – Das Attentat“ gezeigt.
Seitdem scheint für manchen jungen Menschen, der sich ein progressives Weltbild zulegen will, der Antisemitismus ein Teil seines revolutionären Pflichtenheftes. Dabei wird das tatsächliche Leid der Palästinenser wie ein Schutzschild für die antisemitischen Debatte benutzt. Das ist aber kein Ausdruck von Mut, sondern zeigt vielmehr den ungeheuren Konformitätsdruck in der jungen Generation, dem sich auch viele im Kern unpolitische Kreative in der Film- und TV-Industrie unhinterfragt unterwerfen. Viele junge Schauspielerinnen und Schauspieler unterzeichnen dann – manchmal naiv, manchmal einfach ahnungslos – irgendwelche Petitionen, die ungefiltert pro-pälästinensische Propaganda wiedergeben. Ganz besonders schlimm war eine pro-palästinensische Petition zum Filmfestival in Venedig, das morgen zu Ende geht, in der die Rücknahme der Einladungen von israelischen oder israel-freundlichen Künstlern gefordert wurde. Im Mittelpunkt: die israelische Schauspielerin Gal Gadot („Wonder Woman“) und der britische Schauspieler Gerard Butler, die beide in Julian Schnabels Film „The Hand of Dante“ die Hauptrollen spielen und aufgrund dieser Kampagne nicht mehr zum Festival kamen. Ein unerhörter Skandal. Auch hier gingen progressiver Antisemitismus und progressive Cancel Culture wieder eine unheilvolle Allianz ein. Mein Appell an die junge Generation der Filmschaffenden: Seid progressiv, aber stellt das Existenzrecht Israels nicht in Frage und beteiligt Euch nicht an der schleichenden Delegitimierung des Staates Israels. Und, bitte keine banalen Sprechchöre beim Deutschen Fernsehpreis nächsten Mittwoch in Köln!
Die einzige Demokratie im Nahen Osten braucht unsere Belehrungen nicht. Dort protestiert bereits eine starke Zivilgesellschaft gegen die Politik des Ministerpräsidenten Netanjahu – laut und phantasievoll. Diese Streitlust und Leidenschaft wünsche ich mir manchmal für unsere verschlafene, mutlose Demokratie. Wer heute mutig sein will, steht wie Iris Berben an der Seite Israels.
Erschienen in FOCUS 37/2025










