Droht mit dem Amtsantritt von Donald Trump nun auch ein gesellschaftlicher Rollback in der internationalen Filmindustrie? Nach dem Kniefall von Meta-Chef Mark Zuckerberg, der künftig auf die Moderation und Kontrolle von Inhalten auf seinen digitalen Plattformen verzichten will, beugen sich immer mehr US-Konzerne der neuen kulturkämpferischen Agenda. Auch Amazon, McDonald’s und viele andere Konzerne haben sich wie Meta jüngst von ihren selbst gesteckten Diversity-Zielen verabschiedet und ihre Diversity, Equality and Inclusion (DEI) Initiativen eingestellt. In einem Podcast mit dem rechtsgerichteten Journalisten Joe Rogan sagte der Meta-Chef, Unternehmen seien „unmännlich“ geworden. Zuckerberg kritisiert „kulturell kastrierte“ Unternehmen – Aggression solle mehr gefeiert werden: „Ich glaube, dass maskuline Energie gut ist, und offensichtlich hat die Gesellschaft viel davon“, sagt ausgerechnet der Mann, dessen Erfolg damit begann, dass er an der Harvard-Universität die Website „FaceMash“ programmierte, auf der Männer die Attraktivität von Frauen bewerten konnten.
Vieles deutet darauf hin, dass sich auch die großen Entertainment-Konzerne mit den Kulturvorstellungen des neuen US-Präsidenten arrangieren wollen. Der vorauseilende Gehorsam hat längst eingesetzt: Die Pixar-Zeichentrickserie „Win or Lose“ wird in einer späteren Episode keine Transgender-Geschichte mehr enthalten, die Figur bleibt zwar in der Serie, aber einige Dialogzeilen, die sich auf die Geschlechtsidentität beziehen, werden gestrichen. Nach dem überraschenden Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 leistete Hollywood noch wütenden Widerstand. So ging Meryl Streep 2017, wenige Wochen nach seiner Wahl, bei der Verleihung der Golden Globes für ihr Lebenswerk in ihrer Dankesrede mit Trump hart ins Gericht. Jetzt, nach Trumps Sieg über Kamala Harris – die zusammen mit ihrem Ehemann, dem Unterhaltungsanwalt Doug Emhoff, im noblen Brentwood von Los Angeles lebt -, ist die Stimmung unter den Kunstschaffenden fassungslos und niedergeschlagen, die Stars sind deutlich weniger bereit, sich mit Trump anzulegen. Bei der Verleihung der Golden Globes hielten sich vor kurzem sowohl die Moderatoren als auch die Preisträger mit direkten Kommentaren zur Politik oder zum Ausgang der Präsidentschaftswahl weitgehend zurück und spielten eher dezent auf „schwierige Momente“ oder „schwierige Zeiten“ an. Einzig die Schauspielerin Karla Sofía Gascón – Hauptdarstellerin von Emilia Pérez – wagte ein mutiges Statement auf der Bühne: „Ihr könnt uns ins Gefängnis stecken, ihr könnt uns verprügeln, aber ihr könnt uns niemals unsere Seele, unseren Widerstand und unsere Identität nehmen“, betonte sie. „Erhebt eure Stimme und sagt: ‚Ich habe gewonnen. Ich bin die, die ich bin, und nicht die, die ihr haben wollt.'“ Ihre Aussage bezog sich auf die Würde und die Rechte der queren Community, sie selbst identifiziert sich als Trans-Frau. Aber angesichts des Zeitpunkts der Preisverleihung, die zwei Wochen vor der Amtseinführung von Donald Trump stattfand und weltweit im Fernsehen übertragen wurde, konnte man auch eine andere Botschaft heraushören: dass der Widerstand gegen Trump doch noch aufflackert.
Trotz dieses Lichtblicks vollzieht sich in Hollywood ein schleichender Kurswechsel nach rechts: Nach vielen Jahren, in denen man sich linke Werte auf die Fahnen geschrieben hat – Diversität und Inklusion in Marvel- und „Star Wars“-Geschichten, die Stärkung von Frauen in Superheldenfilmen und in animierten Kinderfilmen. Inzwischen gibt es längst eine Abkehr von der „Wokeness“. Es ist nicht abwegig, dass die Studios künftig Projekte auf Eis legen, die als „zu politisch“ gelten. Zu groß ist die Angst, den Zorn der MAGA-Bewegung und des Trump-Regimes zu provozieren. So fand der Trump-kritische Bionic „The Apprentice“ in den USA zunächst keinen Verleih. Als Grund für die Zurückhaltung nannten die Einkäufer laut FAZ hinter vorgehaltener Hand unter anderem die Angst vor Trump und seinen Vergeltungsmaßnahmen, sollte er die Präsidentschaftswahlen gewinnen. Wie werden Streamer wie Netflix und Amazon erst reagieren, wenn die eigene Regierung Kritik an den Inhalten von Filmproduktionen übt, nachdem sie sich in der Vergangenheit schon oft aus anderen internationalen Märkten zurückzogen, wenn lokale Regierungen Einwände erhoben? Die Studios stehen unter Druck und fürchten wirtschaftliche Verluste, wenn sie weiterhin Kunst produzieren, die von großen Teilen der Bevölkerung, die Trump gewählt haben, abgelehnt wird. Die Film- und Fernsehindustrie, die bereits durch die COVID-Pandemie und einen langen Streik geschädigt wurde und zudem ihre eigene Vernichtung durch künstliche Intelligenz befürchtet, wird sicherlich kein finanzielles Risiko eingehen. Auch Autoren, Künstler und Schauspieler sorgen sich um ihre Karriere, ihre Jobs und ihre Zukunft, zumal viele von ihnen bei der Brandkatastrophe in Los Angeles alles verloren haben.
Die Streaming-Plattformen haben längst begonnen, Inhalte für ein Trump-freundlicheres Publikum zu entwickeln. Kurz nach dem Wahlsieg von Donald Trump begann Amazon Prime Video mit den Dreharbeiten zu einer Dokumentation über seine Frau Melania. Amazon hatte bereits Anfang des Jahres ein Abkommen zur Produktion von „glaubensbasierten“ Programmen geschlossen, während Netflix sich auf die Produktion von biblischen Doku-Serien verlegt hat. Und natürlich ist Paramount+ mit seinen endlosen Taylor Sheridan-Inhalten längst zum Streamer von „Real America“ geworden. Seine Serie „Yellowstone“ – ein Neo-Western über harte Männer mit Kevin Costner in der Hauptrolle – strotzt nur so vor maskuliner Energie und verkörpert wie kein anderer Hollywood-Content das Lebensgefühl der Amerikaner in den Flyover-Staaten.
Dass die Kulturindustrie gezielt Content für den konservativen Trump-Markt entwickelt, ist das eine. Problematisch wird der kulturelle Rollback in Hollywood dann, wenn bestimmte Lebenswelten aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt, Minderheiten vor und hinter der Kamera wieder marginalisiert und ihre Stimmen zum Verstummen gebracht werden. Damit würden über Jahrzehnte hart erkämpfte gesellschaftliche Fortschritte zunichte gemacht. Dagegen müssen wir uns wehren!
Seit Ricky Gervais‘ legendärer Moderation der Golden Globes 2020 ist es zur Routine geworden, sich über Schauspielerinnen und Filmemacher lustig zu machen, wenn sie ihre Dankesreden mit politischer Lobbyarbeit überfrachten. Doch seit gestern leben wir in einer Welt, in der Künstlerinnen und Künstler in den USA plötzlich wieder enormen Mut für solche politischen Statements aufbringen müssen. In einer Kulturindustrie, in der die politische Macht und das Monopol über Inhalte, Informationen und Daten in den Händen weniger Oligarchen liegt, ist die Demokratie bedroht. Wenn Hollywood und die internationale Filmindustrie immer mehr versuchen, den herrschenden politischen Mächten zu gefallen, ist es wichtig, dass sich weltweit, vor allem auch in Deutschland, Stimmen erheben, die die Kunst- und Unterhaltungsindustrie als geschützten Raum für plurale Lebensstile, freie Entfaltung und kämpferische Emanzipation verteidigen.