Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) verändert unsere Welt – auch die Medienbranche. Im Gespräch mit Wolfgang Scheidt erläutert Fernsehproduzent Nico Hofmann die Auswirkungen ihres Einsatzes auf die TV-Arbeit. Seine Sorge: Die Technologie kann zu Urheberrechtsmissbrauch führen. Sein Appell: Produzenten sollten auf menschliche Nuancen achten, und die Politik müsse den KI-Einsatz endlich gesetzlich regeln.
Erschienen in: DIE RHEINPFALZ, 28.11.2025
Herr Hofmann, welche Auswirkungen hat Künstliche Intelligenz (KI) auf die Film- und TV-Produktionsbranche?
Die Künstliche Intelligenz hat schon heute dramatische Auswirkungen auf die globale TV- und Filmindustrie, die zwar mit Hilfe der KI großartige, zuvor nie gesehene, surreale Bilderwelten entwickeln kann, aber gleichzeitig ihrer eigentlichen wirtschaftlichen Grundlage beraubt wird, indem die KI all ihre Urheberrechte enteignet, wenn dieser Markt nicht endlich wirksam vom Gesetzgeber reguliert wird. In Deutschland ist ein großer Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft betroffen, die laut dem Monitoringbericht 2024 insgesamt über 204 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet und rund zwei Millionen Menschen beschäftigt hat. Mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz sind auch ganz konkret die existenziellen Grundlagen und die Urheberrechte aller kreativen Talente in der Entertainment-Industrie bedroht: Musiker, Schauspieler, Schriftsteller und Drehbuchautoren haben berechtigte Sorgen, dass ihre künstlerische Leistung, ihre Ausdrucksformen – wie Gesicht, Stimme, Gesang, Texte – und ihre Persönlichkeit mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz kopiert, verfremdet und ohne ihre Zustimmung weiterverwertet werden könnten. Die bereits heute verfügbaren KI-Tools bieten schier unendliche Möglichkeiten der Manipulation und des Missbrauchs von Urheberrechten.
Besonders betroffen ist die Synchronisationsbranche, KI-Stimmen klingen oft wie menschliche Stimmen. Müssen Synchronsprecherinnen und Synchronsprecher um ihren Berufsstand bangen?
Leider ja. Die Synchronsprecher sind als erste betroffen, da die digitale Kopie einer Stimme technologisch am einfachsten ist. Hier ist ein kompletter Berufsstand unmittelbar vom Aussterben betroffen. Auch viele Schauspieler, die nebenher als Sprecher für Audiobücher oder Synchronaufnahmen arbeiten, verlieren ein existenziell wichtiges Standbein. Die Synchronsprecher wehren sich inzwischen mit Petitionen und Appellen an die Politik. Hier muss endlich eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.
Gibt es einen Hoffnungsschimmer?
Ja, das Landgericht Berlin hat vor Kurzem ein erstes wegweisendes Urteil gefällt: Synchronstimmen dürften nicht mithilfe von KI imitiert und für kommerzielle Zwecke genutzt werden. Geklagt hatte Manfred Lehmann, die deutsche Stimme von Bruce Willis, Gérard Depardieu und Kurt Russell. Ein Youtuber hatte mithilfe einer KI Lehmanns Stimme ohne dessen
Einwilligung nachgeahmt und für zwei Videos genutzt. Das Gericht sah darin eine Verletzung in Lehmanns Persönlichkeitsrechten, zu denen auch das Recht an der eigenen Stimme zähle. Der Anwalt von Lehmann sagt aber, dass das Persönlichkeitsrecht nur dann zum Zuge kommt, wenn man die Stimme tatsächlich erkennt. Bei unbekannteren Sprechern kann man das Persönlichkeitsrecht nicht anwenden. Um deren Rechte über die Nutzung ihrer eigenen Stimme zu stärken, braucht es deshalb noch klarere gesetzliche Regelungen – am besten auf EU-Ebene.
Wie kann man erkennen, ob bei der Synchronisation KI im Spiel ist?
Hört sich eine Stimme monoton und emotionslos an, dann ist sie mit großer Wahrscheinlichkeit synthetischer Natur. Die Sprecheragentur Synchronsprecher hat ein Hörbeispiel entwickelt, einen direkten Vergleich eines identischen Werbetextes, zwischen dem deutschen Synchronsprecher Christian Schult, unter anderem die deutsche Synchronstimme von Robert Redford, und einer typisch generierten KI-Stimme. Man hört sofort den Unterschied (Anmerkung der Redaktion: Wer es ausprobieren will: www.synchronsprecher.de/blog/kuenstliche-intelligenzvs-authentizitaet).
Als Berater von Film- und Fernsehproduzenten sind Sie unmittelbar an der Entwicklung von Produktionen beteiligt.
Was empfehlen Sie wann bei welchen Produktionen in puncto Technologie-Einsatz?
Die finanziellen Kosten einer KI-generierten Stimme sind nur ein Bruchteil dessen, was ein professioneller Sprecher kosten würde. Diese Verdrängung wirkt sich nicht nur auf den Lebensunterhalt der Synchronsprecher aus, sondern geht mit großen künstlerischen Verlusten einher: Sie untergräbt die Kunstfertigkeit und Kreativität, die sie in Synchronproduktionen
einbringen. Die Branche könnte die reiche Vielfalt, die einzigartigen Interpretationen und die kreative Zusammenarbeit verlieren, die menschliche Synchronsprecher mitbringen. Sie sprechen ihre Rollen nicht nur nach, sie spielen sie. Das
kann die KI (noch) nicht. Dennoch wird KI zunehmend eingesetzt, um Synchronisationen zu automatisieren – schneller, billiger, aber auch seelenlos. So leistungsfähig die neue Technologie auch sein mag: Echte Emotionen, menschliche Nuancen und schauspielerische Tiefe – all das kann nur die menschliche Stimme glaubwürdig transportieren.
Bei der RTL-Serie „Pumuckl“ wurde KI eingesetzt, um die Stimme des verstorbenen Hans Clarin „lebendig“ werden zu lassen. Wird dieses Beispiel Schule machen?
Im neuen Pumuckl-Film hört sich die Stimme des frechen Kobolds – den in Bayern jedes Kind noch kennt – tatsächlich so an wie früher. Das ist aber nicht die Leistung seines Synchronsprechers Maxi Schafroth, sondern die der Künstlichen Intelligenz, mit deren Hilfe dessen Stimme moduliert wurde. Für diese künstliche digitale Pumuckl-Stimme hat RTL das Einverständnis der Familie des Schauspielers Hans Clarin eingeholt, der bereits 2005 verstarb und seine unverwechselbare Stimme eigentlich mit ins Grab nahm. Ich denke, in diesem Fall geht das als nostalgische Hommage an Hans Clarin in Ordnung, solange die Erben als Rechteinhaber gefragt und bezahlt werden.
Welche Chancen bietet KI beispielsweise für Mehrkanalton, also für Angebote in verschiedenen Sprachen?
KI kann bei der Synchronisation von Filmen eine große Hilfe sein: Das Unternehmen Flawless, das unter anderem vom Regisseur Scott Mann gegründet wurde, kann mit Hilfe von KI nicht nur die Stimme des Originalschauspielers in eine andere Sprache transferieren, sondern auch gleichzeitig seine Lippenbewegungen so synchronisieren, als ob er die fremde
Sprache tatsächlich selbst sprechen würde. Sofern der Schauspieler der Bearbeitung seiner Stimme und seiner Lippenbewegungen zugestimmt hat und dafür auch entsprechend bezahlt wird, ist das eine Variante der Nutzung
von KI, die durchaus vorstellbar ist. Scott Mann hat sich übrigens zur Gründung des Unternehmens entschlossen, weil er sich 2015 maßlos über die schlechte Synchronisation der ausländischen Fassungen seines Filmes „Heist“ mit Jeffrey Dean Morgan und Robert De Niro in den Hauptrollen geärgert hatte. Die Übersetzungen hätten den Charakter und die Intention seiner Dialoge stark verzerrt und damit die Handlung seines Films verändert. Ob das mit der Flawless-Technologie tatsächlich besser wird, ist die Frage.











